Heikenwaelder Hugo: Schaukelpferd


Heute ist der Tag des „Schaukelpferds“ !

Zu jener Zeit, vor vielen Jahrzehnten, als ich noch ein kleiner Bub war, hatte fast jedes Kind ein „Schaukelpferd“. Zwar war auch meines nicht so schön wie jenes, das ich für euch in den letzten 2 Tagen gezeichnet habe, aber jeder hatte eins. Täglich wurde das arme Holz-Pferd beritten und das Einzige, auf das man achten mußte, war, dass einem die Katze nicht unter die Kufen kam. Aber das passierte nicht, denn unser Kater Biwiu haßte das Ding, und rannte schnurstracks in den Garten, wenn ich es in Betrieb nahm. Dieses Hutschpferd gehört zu meinen frühesten Erinnerungen, – und ich sehe es noch heute leibhaftig vor mir. Und außerdem ruft das Thema „Schaukelpferd“ nostalgische Gefühle in mir wach.

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Später dann, ich muß 7 – 8 Jahre alt gewesen sein und konnte schon lesen und schreiben, erlebte ich dann eine Geschichte, die mir ebenfalls bis heute in Erinnerung geblieben ist.
Es war an einem 31. Oktober, dem sogenannten „Weltspartag“. Das war in meiner Kindheit ein großes Thema. In der Schule referierte der Lehrer darüber, die Eltern sowieso,- und wir alle, die eine bunte, metallene Sparbüchse hatten, brachten diese an diesem Tag in die örtliche Sparkasse, ließen sie leeren, und das Gesparte auf das Sparbuch buchen. Es war immer sehr erhebend, das Geld wachsen zu sehen, und das Gefühl zu haben immer reicher zu werden.
An jenem Tag gab es anläßlich des Weltspartags auch ein Preisausschreiben. Die gestellte Frage war einfach zu beantworten und so nahm ich teil, natürlich in der Hoffnung zu den Gewinnern zu gehören. Hauptpreis waren, glaube ich, 1000 Schilling in bar und diverse Sachpreise.
Und tatsächlich bekam ich kurz vor Weihnachten ein Schreiben, dass ich etwas gewonnen hätte, und mir den Preis in der Sparkasse abholen könnte. Große Aufregung natürlich allerseits. Gleich am nächsten Tag stand ich dort am Schalter, mit meiner Gewinn-Benachrichtigung, in Erwartung des ersehnten Preises.
Es war zwar nicht der Hauptpreis, aber ein wunder-wunder-schönes Set mit 25 exklusiven BUNTSTIFTEN, in einer noblen Holz-Schachtel mit einem Schiebe-Verschluß, – ein Ding für echte Zeichen-Profis. Mein Herz machte einen Salto ! Genau davon hatte ich schon immer geträumt. Tagelang wagte ich es nicht die schönen, teuren Stifte zu benutzen, sondern betrachtete sie nur in ihrer gestaffelten, regenbogenhaften Farbenpracht. Eines Tages dann, nachdem ich mich daran genügend sattgesehen hatte, schritt ich dann zur Tat, mit der sicheren Überzeugung, dass es mir gelingen würde, daraus ein den Stiften adäquates Kunstwerk zu erschaffen.
Gott sei Dank war es bereits damals schon möglich, die einzelnen Farbstifte nachzukaufen, sodass mein Set über viele Jahre immer vollständig war.
Schon damals war mir immer Eines wichtig : der Plan !
Erstens : Was will ich zeichnen.
Zweitens : Welches Format ist dafür geeignet.
Mein Vater instruierte mich schon im Volksschulalter darüber. Eine Tänzerin, also eine aufrechtstehende Person, malt man im Hochformat, – ein liegendes, schlafendes Mädchen natürlich im Querformat. Logisch dachte ich, im vollen Bewußtsein, dass ich auch selbst darauf gekommen wäre. Und blond wirkt besser als schwarze Haare, und Katzenbilder sind beliebter als die Zeichnung einer Heuschrecke.
Dies alles lernte ich von meinem Vater, Grundbegriffe einer erfolgreichen Maler-Karriere. Schon Leonardo befand : “ Willst Du ein junges Mädchen malen, – dann mal daneben einen alten Mann !“
An diesen elementaren Erkenntnissen hat sich bis heute nichts geändert, – außer man gehört zu jenen kaputten Moderninskis, die das Hässliche schön, und das Schöne unerträglich finden. Diese haben nämlich etwas Wichtiges nie erlebt : Vor der absoluten Schönheit gewisser Dinge niederzuknien und zu weinen. Vollkommene Schönheit zu erleben und erleben zu können, ist ein Privileg sensibler Ästheten, und wer dieser Magie des Augenblicks jemals verfallen ist, wenn ein jungfräulicher Blick auf etwas Vollkommenes trifft, möchte diese Momente der Ergriffenheit nicht mehr vermissen.
Mein erstes wahres Kunsterlebnis hatte ich im Alter von ca. 6 Jahren, vor der Auslage eines italienischen (südtiroler) Bildhauers. Ich saß hinten auf dem Gepäckträger meines Vaters auf dem Weg ins Freibad, als ihm die Kette aus dem Fahrrad sprang, und er diese wieder richten mußte. Genau vor dem Atelier und der Auslage des Bildhauers Gottfried Detomaso. Ich sah dann diese überwältigende Holzfigur, dieses Schnitzwerk der Meisterklasse, – und war wie erschlagen ! Vollkommene Schönheit, in existenzieller Ausdruckskraft, – ein Meilenstein in der Skala meiner Kunsterlebnisse. Und vor allem das erste, mit allen Sinnen Erlebte, und bis heute unvergessen. Ich werde darüber einmal einen eigenen Text schreiben. 20 Jahre später stand es immer noch in der Auslage. Gerne hätte ich es gekauft, – aber es kostete damals schon 100.000 Schillinge. 10 Jahre später dann hatte ich das Geld, aber da war die Figur bereits nach Belgien verkauft worden. Ein Schmerz bis heute, denn später wurde der Bildhauer mein Freund, mit dem ich viele Stunden meiner Freizeit verbrachte. Auch wesentliche Erkenntnisse über das Leben erfuhr ich durch ihn. Immer, wenn mich wieder mal eine Schöne verlassen hatte, und ich ihm davon erzählte, sagte er nur : „Hast Du bekommen, was Du wolltest ?“ – Und ich : „Na klar hab ich bekommen, was ich wollte, – oder schau ich so aus als ob ich nicht bekäme, was ich wirklich haben will !“ – Und er wiederum : „Dann schweige und beschwer Dich nicht, – zu bekommen, was man begehrt ist ein Privileg ! Sei dankbar und demütig.“ – Ja, solche kurzen Worte fand er für das wirkliche Leben, – und ich habe sie mir bis heute gemerkt.
In diesem Sinne, meine lieben Freunde, erfreut euch an meinem gelungenen Schaukelpferd. Man weiß nie, wann die Schöpferkraft erlischt und der Unerforschliche einem den Pinsel aus der Hand nimmt.
Alles Liebe – euer – Hugo von Kritzelflink



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