Als ich 1971 im Alter von 21 Jahren das damals noch wahrlich “ländliche” Vorarlberg verließ und meinen neuen Job als Kunst-Erzieher in einem noblen Mädchenpensionat im exklusiven Montreux am Genfersee antrat, änderte sich mein gesamtes Weltbild schlagartig.
Zum Einen war da diese unglaubliche und faszinierende Landschaft mit ihren satten Weinbergen und mondänen Villen und Patrizierhäusern, zum Anderen dieser enorme Kultur-Clash von einer bäuerlichen Provinzstadt in eine kulturelle und touristische Metropole, wo Dir auf Schritt und Tritt historische Leuchttürme begegneten, seien es nun besondere Menschen, Orte oder Ereignisse.
Kaum angekommen, vertiefte ich mich in die Geschichte dieses west-schweizerischen Landstrichs, und verfiel kurz darauf völlig der französischen Literatur.
Eine holde Schöne, die meine Sprachkenntnisse verbesserungswürdig fand, drückte mir Marcel Prousts “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit in die Hand”, und, ganz im Banne dieses ungeheuren Wort-Akrobaten, befand ich mich plötzlich selbst mittendrin, in dieser sogenannten Belle Époque, jenen gut 40 Jahren von 1870 – 1914, die zu den lustvollsten der Weltgeschichte gehören, und denen Proust in seinem Jahrhundertwerk ein unerschütterliches Denkmal gesetzt hat.
Nie wieder hat jemand das Paris der Jahrhundert-Wende besser beschrieben als er.
Mir war, als hätte ich plötzlich meine ureigenste, geistige Heimat gefunden, Paris, die Cafés, die Boulevards, die Bars und Theater, all die Künstler und Kurtisanen, – diese ganze sinnliche Welt eines überbordenden Lebensgefühls war derart schillernd beschrieben, dass ich mich entschloß, so bald wie möglich dorthin zu fahren, in der Hoffnung noch Reste dieser versunkenen Epoche wiederzufinden.
Gesagt – getan !
Anfang September 1971 war ich in Montreux gelandet und die 14-tägigen Weihnachtsferien danach verbrachte ich bereits in Paris, der Stadt der Liebe, der Kunst, – und vor allem der Literatur.
Wie ein Süchtiger auf Droge sog mein hungriges Maler-Auge all die bunten Bilder auf, die sich mir überall darboten : In den Museen, den Ausstellungen, den Boulevards und Märkten, – aber besonders natürlich auch in dem Dutzend berühmter Cafés, wo ich nach ihnen suchte, den edlen und weniger edlen Damen der pariser Gesellschaft, die mir aus Prousts Roman so vertraut waren.
Und tatsächlich, da waren sie alle, die noblen Demoiselles, müde und erschöpft vom Nichtstun, in ihren üppigen Kleidern und Kostümen, in ihren teuren Mänteln und Pelzen, nichts schien sich geändert zu haben, nur statt der Kutschen fuhren jetzt Autos und Taxis durch die Straßen.
Wie im Rausch begann ich alles zu zeichnen, ich fühlte mich wie Toulouse-Lautrec, wie Degas, wie Renoir höchst persönlich, den ich schon immer wegen seiner Schnelligkeit beim Malen bewunderte.
Mit 100 Skizzen beladen kehrte ich überglücklich nach Montreux zurück, um mich künstlerisch ganz jener einzigartigen Zeit zu widmen, in der ich mir einbildete, schon einmal gelebt zu haben : der Pariser Belle Époque !
Und als Erinnerung an jenes unvergeßliche Weihnachten, zwischen all dem Schneegestöber, den nächtlichen City-Lights, den nassen, kalten Straßen mit ihren hupenden Autos und den kuscheligen Cafés und Etablissements, in denen die Literaten und Maler aller Zeiten ihre Geschichten und Sujets fanden und erfanden, habe ich soeben ein alte Skizze aus jener Zeit entdeckt, – und diese neu und bunt gestaltet, mit einem Hauch von Nostalgie, die ich euch nicht vorenthalten möchte !
So nehmt es denn mit, das neue, alte Bild einer schönen, jungen Dame aus der Belle-Époque, in euer geheimes Bilder-Lexikon, auf dass auch ihr ins Schwärmen kommt, wie ich, über die “gute alte Zeit”, die tatsächlich besser war, als dieses ohrenbetäubende Kriegs-Geschrei, wie es derzeit aus allen Lautsprechern dröhnt !
Und vergeßt niemals Eines : GLÜCK gibt es nur im FRIEDEN ! Und sagt es besonders jenen, die es nicht hören wollen . . .
Ich denk an euch alle, – euer glücklicher und wieder genesener Kleckser – Hugo von Pinselflink